Der “böse” Zucker und die “guten” Alternativen?

Verschiedene Zuckervarianten
Kaum ein anderes Thema trägt wohl so fantastisch zur Verwirrung und Täuschung von Verbrauchern bei. Wohl dem, der über das berühmte Basiswissen verfügt. Nur so lässt sich die Spreu vom Weizen trennen. Eine Prise "Chemie" ist bei diesem zuckersüßen Thema sozusagen von Natur aus dabei.

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Immer wieder werde ich mit Fragen zum Thema Zucker und den potentiellen (und vermeintlich guten) Alternativen konfrontiert. Ist Zucker pauschal “böse” und sind seine Alternativen automatisch “gut”? Nein, so einfach ist das wahrlich nicht. Wie immer empfiehlt sich (chemisches) Basiswissen, wenn es um Ernährung und Nährstoffe geht. Dann kommt automatisch etwas mehr Licht ins Dunkel. Deshalb gibt’s hier die wichtigsten Informationen in Form von knackigen Antworten zu den mir am häufigsten gestellten Fragen. Garantiert zuckerfrei.

Was ist mit Zucker genau gemeint?

Unter dem Begriff Zucker werden im lebensmittelrechlichen Sinne die Einfach- und Zweifachzucker zusammengefasst. Beide Gruppen gehören zu den Kohlenhydraten und ihre Vertreter liefern immer 4 Kilokalorien pro Gramm. Zu den berühmtesten Einfachzuckern zählen Glucose (= Traubenzucker), Fructose (= Fruchtzucker) und Galactose (= Schleimzucker). Diese finden sich wiederum in folgenden Zweifachzuckern: Saccharose (= Haushaltszucker), Maltose (= Malzzucker), Lactose (= Milchzucker).

Umgangssprachlich wird der Begriff Zucker wiederum als Synonym bzw. als Kurzform für den kristallinen Haushaltszucker verwendet. 

Wenn vom berühmten Blutzuckerspiegel die Rede ist, so bezieht sich dieser immer auf den Anteil an Glucose (Traubenzucker) im Blut.

Was ist Maltodextrin?

Finden wir auf Verpackungen den Hinweis “weniger Zucker”, so wurde lediglich der Anteil an Einfach- und Zweifachzucker um mindestens 30 Prozent reduziert. Womit wird das Loch nun gestopft? “Maltodextrin” oder “Dextrine” liest du in der Zutatenliste solcher Produkte, deren Volumen trotz Zuckerreduktion erhalten bleiben soll.

Maltodextrin besteht aus mehreren Glucosemolekülen, wird meist aus Stärke hergestellt, schmeckt neutral und liefert wie alle Kohlenhydrate 4 kcal/g. Du findest Maltodextrin übrigens in Säuglingsnahrung, Instant-Produkten wie Tütensuppen oder löslichem Getränkepulver und in Sportlernahrung wie Iso Drinks oder Energy Gels. Die Hersteller verändern hin und wieder ihre Rezepturen und tauschen Zutaten aus oder korrigieren die Anteile einzelner Zutaten. 

Wenn’s um die Therapie von mangelernährten Patienten geht, findet Maltodextrin auch häufig Anwendung. So lassen sich u. a. Getränke oder Suppen mit Kohlenhydraten anreichern, ohne dass das Lebensmittel unangenehm süß schmeckt. Maltodextrin löst sich schneller in Flüssigkeit auf als Stärke, verändert die Konsistenz nicht und genießt deshalb Vorrang. 

Tipp: Vergleiche am besten die Nährwertangaben von zuckerreduzierten Produkten mit denen vom Original. Denn die Ersparnis an Energie fällt häufig schmaler aus, als du im ersten Moment vermutest. Das eine sind die Nährwerte, das andere ist das Geschmackserlebnis.

Wozu wenige Kalorien einsparen pro 100 Gramm Produkt, wenn’s danach nicht mehr so gut schmeckt? Wäre es dann vielleicht sinnvoller, vom Original weniger zu essen? Oder hast du dich schon dabei erwischt, vom sog. Light-Produkt wiederum mehr zu essen oder zu trinken, weil’s ja “light” ist? 

Was ist die klügere Wahl: Rohrzucker oder Rübenzucker?

Rübenzucker gibt das attraktivere Gesamtpaket ab, wenn über den Tellerrand hinausgeschaut wird. Denn er wird in unterschiedlichen Qualitäten regional angebaut, während Rohrzucker immer aus der Ferne importiert werden muss. Inzwischen ist auch Rohrzucker in Bio-Qualität auf dem Markt. Vor ein paar Jahren war “Bio-Zucker” automatisch Rohrzucker.  In puncto Nährstoffgehalt liefert Rohrzucker keinen nennenswerten Mehrwert, auch nicht mit Blick auf die Mikronährstoffe. Da müsstest du schon sehr große Zuckermengen zu dir nehmen, um überhaupt nennenswert Mikronährstoffe über Rohrzucker abzukommen. Für jede Zuckerquelle gilt grundsätzlich: Weniger ist mehr.

Ist Honig besser als der Haushaltszucker?

Nur bedingt. Auch im Honig sind Einfach- und Zweifachzucker enthalten. Sprich Glucose, Fructose und Saccharose – je nach Sorte in unterschiedlichen Anteilen. Während Rapshonig deutlich höhere Mengen an Glucose (= Traubenzucker) liefert, bietet Akazienhonig reichlich Fructose (= Fruchtzucker). Da im Honig je nach Konsistenz mehr oder weniger Wasser enthalten ist, reduziert sich die Energiedichte geringfügig im Vergleich zum kristallinen Haushaltszucker. Doch auch hier gilt: Weniger ist mehr. 

Hast du echten kalt geschleuderten Imkerhonig gekauft, dann enthält dieser von Natur aus Enzyme und antibakterielle Substanzen. Deshalb sollte Honig nicht über 40 Grad erhitzt werden. Sonst wird zerstört, was Mutter Natur reingemischt hat. Das allein ist schon ein Grund, Imkerhonig in erster Linie für die kalte Küche zu verwenden oder eben nur in jene Heißgetränke zu rühren, die gerade so trinkbar sind.  

Honig besitzt einen je nach Sorte typischen Eigengeschmack – zumindest der Honig vom Imker. Das führt bei einigen dazu, dass nur so viel Honig zugefügt wird, wie’s geschmacklich passt. Bei manchen Gerichten stört dieses typische Aroma oder bringt zumindest kein Plus fürs Geschmackserlebnis. Dann kann genauso der weiße Kristallzucker herhalten. Geht’s ans Backen stellt sich die Frage, ob der gute kaltgeschleuderte Honig wirklich so lange so hoch erhitzt werden soll. Hinzu kommt, dass sich Kristallzucker nicht so leicht durch Honig ersetzen lässt. Das gilt im Grunde auch für Sirupe und Dicksäfte. Gut möglich, dass du ein paar Versuche brauchst, bis du die perfekte Menge gefunden hast.     

Wie sinnvoll ist der Einsatz von Agavendicksaft?

Agavendicksaft enthält große Teile an Fructose (= Fruchtzucker), sollte deshalb sparsam verwendet und daher nicht als einzige Quelle zum Süßen genutzt werden. Bedingt durch die enthaltene Fructose besitzt Agavendicksaft eine intensive Süße bzw. hohe Süßkraft.

Tagein tagaus hohe Fructosemengen haben tückische gesundheitliche Folgen. Zu viel Fructose ist beispielsweise eine klassische Ursache für eine nicht-alkoholische Fettleber. Eine Erkrankung, die häufig viel zu lange unbemerkt bleibt und genauso bei Normalgewichtigen vorkommt. 

Außerdem ist zu bedenken, dass die Agaven nicht hierzulande angebaut werden und längere Transportwege nötig sind.  

Was ist der Vorteil an Ahornsirup?

Die Pancakes brauchen Ahornsirup. Stimmt. So sieht’s die Tradition vor. Streng genommen besteht der einzige Vorteil von Ahornsirup darin, dass sein Anteil an Wasser (in Bezug auf 100 ml bzw. 100 g) relativ hoch ist. Deshalb ist der aus dem Stamm des Zuckerahorns gewonnene Sirup so wunderbar flüssig und liefert bei gleicher Bezugsgröße etwa die Hälfte an Zuckermolekülen im Vergleich zum klassischen kristallinen Haushaltszucker.

Doch für die Verarbeitung eignet sich eine flüssige Süßquelle nicht automatisch genauso gut wie eine feste. Ähnlich problematisch wie bei flüssigem Honig, Sirup oder Dicksäften. Denn aufgrund des Wasseranteils verändern beispielsweise Kuchenteige oder Quarkspeisen ihre Konsistenz.

Angebrochene Flaschen sollten kühl gelagert und zügig aufgebraucht werden, da sich aufgrund des hohen Wasseranteils mit der Zeit auch schon mal Schimmel bilden kann.

Was ist das Besondere an Kokosblütenzucker und Kokosblütensirup?

Allein seine Herkunft. Gewonnen werden beide Produkte aus dem Nektar der Blüten der Kokospalme. Das heißt, der Ursprung ist gleich. Je länger der Nektar eingekocht und damit der Wasseranteil reduziert wird, umso fester das Resultat. Kokosblütensirup besitzt demzufolge einen höheren Wasseranteil als der kristalline Kokosblütenzucker.

Chemisch betrachtet handelt es sich in beiden Fällen um ein Gemisch aus Saccharose, Glucose und Fructose. Behauptet wird, der Glykämische Index (GI) dieser exotischen Zuckervariante sei niederiger als der GI des Haushaltszuckers. Nachweise, die den Zusammenhang signifikant bestätigen, fehlen bislang.

Unter welchem Namen verstecken sich Einfach- und Zweifachzucker in Zutatenlisten?

In Zutatenlisten auf Lebensmittelverpackungen finden sich häufig diese Bezeichnungen für Einfachzucker- und/oder Zweifachzuckerquellen: Traubenzucker, Glucose, Dextrose, Fruchtzucker, Fructose, Invertzuckersirup, Fructose-Glucose-Sirup, Glucose-Fructose-Sirup, Fructosesirup, Glucosesirup, Stärkesirup, Karamellsirup, Honig, Fruchtsüße, Milchzucker, Lactose, Maltose, Saccharose, Raffinose, Gerstenmalz, Gerstenmalzextrakt, Traubenfruchtsüße.

Hinweis: Glucose oder Glukose, Fructose oder Fruktose usw. – beide Schreibweisen sind korrekt und werden verwendet. Ich favorisiere nach wie vor die Variante mit “c”. Denn interessanterweise wird Saccharose nach wie vor mit “cc” geschrieben. Das nur am Rande und zur Vollständigkeit. 

Welche Arten an Kohlenyhdraten gibt es?

Neben Einfachzuckern und kurzen Kohlenhydratketten (Zweifachzuckern) existieren zwei weitere Gruppen. Diese werden je nach Anzahl ihrer Bausteine (= Moleküle) in “Mehrfachzucker” und “Vielfachzucker” bezeichnet. Der berühmteste Vertreter für die extra langen Glucose-Ketten ist die Stärke. Vielfachzucker besitzen über 100 einzelne Bausteine.

Die sog. Mehrfachzucker bilden das Mittelfeld in Sachen Kettenlänge und liegen demzufolge zwischen 3 und 100 Bausteinen. Prominentester Vertreter dieser Gruppe ist zweifelsohne das Maltodextrin. In der Natur kommen Dextrine übrigens relativ selten vor und werden stattdessen meist künstlich aus Stärke hergestellt und werden deshalb auch als “künstlicher Zucker” bezeichnet. 

Wer bastelt nun die größten Kohlenhydratmengen? Die Pflanzen. Stichwort Photosynthese. Insofern liegt auf der Hand, welche Lebensmittelgruppen du meiden müsstest, wenn deine Nahrung keine (verwertbarten) Kohlenhydrate enthalten soll. Insofern ist es keine Überraschung, dass diejenigen, die sich rein pflanzlich ernähren, vergleichsweise hohe Mengen an Kohlenhydraten zu sich nehmen. 

Die Milch vom Säugetier liefert noch Kohlenhydrate und einige Produkte, die daraus hergestellt werden. 

Welche Lebensmittel enthalten keine Kohlenhydrate?

Folgende Gundnahrungsmittel bzw. Lebensmittelgruppen liefern beispielsweise keine verwertbaren Kohlenhydrate und damit auch keinen Zucker: Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Eier, Hartkäse wie zum Beispiel Parmesan, Bergkäse oder Emmentaler, Sauermilchkäse, Pflanzenöle, Kokosfett, Schmalz, Mineralwasser, Trinkwasser, ungesüßte Tees. 

Minimale, zu vernachlässigende Zuckermengen finden sich in Butter, Blattsalaten sowie Pilzen.

Wer sich ernsthaft zuckerfrei ernähren möchte, muss sich zwangsläufig mit den genannten Lebensmittelgruppen zufrieden geben. Die Alternative wäre, auf Zuckerersatz wie Süßstoffe zurückzugreifen. Deren Brennwert liegt bei 0 kcal/g. Dafür fällt ihre Süßkraft deutlich höher aus, so dass geringe Mengen genügen. Jedoch verändert der Einsatz von Süßstoff das gesamte Geschmacksprofil von Lebensmitteln oder Speisen und das muss man eben mögen. 

Podcast-Episode #074: Den EINEN Zucker gibt es nicht

Nein, gesunden Zucker gibt es nicht. Die Einteilung in gut und böse, in gesund oder ungesund ist Quatsch. Anders ausgedrückt: So lässt sich etwas schöner reden, als es ist. Entscheidend ist die Dosis und die Zuckerart. Der Blick hinter die Zuckerkulissen lohnt sich also. Wenn du lieber hörst als liest (oder genauso gerne hörst wie liest), dann los.

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